Abhoermoeglichkeit vom D-Netz gefordert

Frankfurter Rundschau vom 13.08.94:

Telefontechnik schƒtzt Neonazis und Kriminelle vor der Polizei Hessischer Staatssekretèr wirft der Bundesregierung vor, daº sie Kommerzinteressen fƒr wichtiger hèlt als Strafverfolgung Von Michael GrabenstrÜer

WIESBADEN, 12. August. Neonazis in der Bundesrepublik setzen nach Angaben des hessischen Innen-Staatssekretèrs und frƒheren Direktors des Landesverfassungsschutzes, Heinz Fromm (SPD), zunehmend auf als abhÜrsicher geltende Kommunikationstechnik. Mobiltelefone seien in der rechtsextremen Szene der Renner und kÜnnten zur Zeit ƒberhaupt nicht von den Sicherheitsorganen ƒberwacht werden, "weil die MÜglichkeiten zum AbhÜren nicht mehr gewèhrleistet sind", sagte Fromm der ╚FR╚. Das fƒhre zu wesentlichen Nachteilen der Sicherheitskrèfte beim Einschreiten gegen neonazistische Aufmèrsche.

Fromm wirft Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) vor, dieser fordere zwar Üffentlichkeitswirksam immer neue Gesetzesverschèrfungen, packe aber lange erkannte Sicherheitsdefizite nicht energisch genug mit den vorhandenen Gesetzen an. "Vielfèltigen kommerziellen Interessen im boomenden Telefonmarkt wird von Bonn ganz offenkundig Vorrang vor den sicherheitspolitischen Notwendigkeiten eingerèumt", sagte Fromm der ╚FR╚. Er vermutet, daº fƒr die Bundesregierung "die Privatisierung der Telekommunikation unausgesprochen Prioritèt vor der Kriminalitètsbekèmpfung hat".

So habe die Arbeitsgemeinschaft der Landeskriminalèmter mit dem Bundeskriminalamt (AG Kripo) bereits Forderungskataloge der Polizei zur åberwachung der neuen Telekommunikationssysteme vorgelegt. "Auf der Bundesebene fehlt aber der Wille zur politischen Umsetzung", bemèngelt Fromm. Das Nachrƒsten der åberwachungsmÜglichkeiten werde wegen der Versèumnisse bei der Zulassung neuer Telefoneinrichtungen Millionen kosten, meint er. Die åberwachung der Mobilfunknetze, der Computer-Mailboxen und ISDN-Netze wère nach åberzeugung des hessischen Staatssekretèrs "technisch noch in allen Fèllen mÜglich". Jedoch seien die technischen Voraussetzungen dafƒr von den kommerziellen Betreibern "weder realisiert noch vorgesehen", obwohl das eindeutig gesetzlich vorgeschrieben sei.

Nach der Strafprozeºordnung mƒsse die Deutsche Bundespost oder "jeder andere Betreiber von Fernmeldeanlagen, die fƒr den Üffentlichen Verkehr bestimmt sind", den Richtern, Staatsanwèlten oder der Polizei die åberwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs ermÜglichen. Bisher sei bereits in der Planungsphase versèumt worden, Betreiber und Systemhersteller zur Schaffung der gesetzlich vorgesehenen AbhÜrmÜglichkeiten zu zwingen. Fƒr Fromm ist das ein "eindeutiges Versèumnis der Bundesregierung, vor allem des Bonner Innen- und des Justizministeriums".

Die åberwachung von Telekommunikationseinrichtungen auf gesicherter gesetzlicher Grundlage sei unverzichtbares Instrument bei der Bekèmpfung von schweren Straftaten, meint Fromm. Das gelte fƒr die organisierte Kriminalitèt genauso wie fƒr sicherheitsgefèhrdende Aktionen von Rechtsradikalen. Dabei gehe es nicht um "ausufernde åberwachungspraktiken, sondern um die Sicherung der bereits mÜglichen Telefonƒberwachung als unverzichtbares Element der Kriminalitètsbekèmpfung".